«Man kann trotz Verdichtung wertvolle Flächen schaffen»

Kobe Macco beschäftig sich im Rahmen der Felsenrain-Testplanung vor allem mit dem Aussenraum. Dort sieht er Potenzial für Mensch und Natur.

 

Sie haben die Parzelle, die Umgebung, ihre Topografie und Geschichte studiert. Was kam dabei heraus?

Der Ort ist echt spannend. Wir haben uns vor allem die Landschaftsstruktur angeschaut. Die Siedlung liegt genau auf der Schnittstelle zwischen Hang und Ebene. Also zwischen dem Buhnhügel und dem früheren Sumpfgebiet am Rand von Neu-Oerlikon. Einst lag dort sogar ein Weiher.

 

Der Weiher ist weg, aber ein Fliessgewässer ist geblieben, richtig?

Ja, da führt ein kleiner Bach entlang. Früher hatte er eine grössere Bedeutung. Heute ist er am Rande des Grundstücks eingedolt. Als Passant merkt man davon nichts. Man kann aber etwas Schönes draus machen.

 

Sie würden den Bach also aus der Versenkung holen und offenlegen?

In einer von Varianten schlagen wir vor, den Bach auszudolen. Es wäre schön, das Wasser wieder im Siedlungsraum zu etablieren, nicht zuletzt fürs Klima in der Siedlung. An heissen Sommertage kühlt ein naher Bach, er zieht auch die Menschen an. Gesamthaft gesehen wollen wir drei Freiraumstrukturen stärken: den Hang, die Ebene und den Bach. erlebbar machen.

 

Grünraum verändert sich derzeit stark. Das traditionell kurz geschnittene Wiesli ist nicht mehr so gefragt.

Glücklicherweise kommt man davon ab. Wir befinden uns in einer riesigen Nachhaltigkeitswelle. Der Druck auf den Freiraum ist massiv. Im Felsenrain wird die Siedlung verdichtet, mehr Menschen werden sich dort aufhalten, es entsteht mehr Bewegung. Also ist es wichtig, den Freiraum unter diesen sich verändernden Bedingungen richtig zu gestalten.

 

Künftig sollen sich im Felsenrain viele Kinder und ältere Menschen aufhalten. Beide Gruppen verbringen oft Zeit in der unmittelbaren Wohnumgebung und an der frischen Luft. Ihre Bedürfnisse sind aber nicht immer deckungsgleich, oder?

Interessant am Felsenrain ist, dass gerade für Kinder rundherum bereits grosse Freiräume existieren. Es gibt in der Nähe ein Volleyballfeld, Basketballcourts, grosse Spielwiesen, sogar ein Ort, an dem Ziegen leben. Gerade weil es rund um die Siedlung bereits viele Angebote gibt, brauchen wir zum Beispiel keine grosse Spielwiese auf dem Areal. Die Frage, die wir uns auch stellen, lautet: Wie öffentlich wird diese Siedlung sein. Heute verirrt sich kaum jemand hinein. Künftig wollen wir sie durchgängig machen. Das bedeutet aber nicht, dass sie auch rege als Durchgang genutzt werden soll. Wenn man an ältere Menschen denkt, muss man ebenfalls unterschiedliche Bedürfnisse unterscheiden. Es gibt solche, die den Kontakt suchen, andere bevorzugen Ruhe. In der Pflegewohngruppe wird es Demenzkranke geben, auch sie brauchen einen Aussenraum.

 

Wie schafft man Orte, an denen sich Alt und Jung gerne aufhalten?
Der Bach ist beispielsweise so ein Ort. Er ist attraktiv zum Verweilen und für Kinder ein grossartiger Spielort. Auch Spielplätze kann man so gestalten, dass sie nicht nur Kindern etwas bieten. Zum Beispiel mit Bewegungsgeräte für ältere Menschen verwenden. Ich denke etwa auch an Wasserspiele, die Kinder und Erwachsene gemeinsame benützen können.

 

Was macht eine gute Aufenthaltsqualität im Freien aus?

Dass man sich einen Platz aneignen und unterschiedlich nutzen kann. Einen Kiesplatz kann man im Sommer als Bocciabahn nutzen, im Winter könnte man darauf einen kleinen Weihnachtsmarkt veranstalten. Im Winter will man viel Licht, im Sommer ist hingegen an heissen Tagen Schatten wichtig. Es braucht Bereiche, in denen man zusammenkommt und andere, die als Rückzugsorte dienen. Alles in allem wird der Felsenrain in Zukunft viel stärker genutzt werden als heute. Das heutige Abstandsgrün erfüllt kaum einen Zweck.

 

Im Auftaktforum wurde die Idee von Gartenflächen für Gemüse und Co. diskutiert. Vor allem auch der der sozialen Komponente wegen. Ist gemeinsames Gärtnern nach wie vor eine Option?

Ja, wir haben diese Idee aufgenommen. In einer unserer Varianten nennen wir das den Familienhof. Eine Fläche beispielsweise mit Hochbeeten, zwischen den Wohnungen für Senior*innen und denjenigen für Familien. Diese könnten von beiden Gruppen gemeinsam bewirtschaftet werden. Ältere Leute kennen Gartenarbeiten oft noch sehr gut. Heutige Stadtkinder haben oft leider keine Ahnung, wie ein Karotte wächst.

 

Die Fauna und Flora sitzen in diesem Projekt nicht mit am Tisch, sie haben keine Stimme. Welche Ansprüche hat die Natur an ein solches Projekt?

In einer Variante setzen wir beispielsweise eher auf Hochhäuser. Das schafft mehr Freiraum. Wir schlagen etwa vor, die heutige Felsenrainstrasse zwischen der Siedlung und dem Bahnbord teilweise aufzuheben. Damit würden wir einen natürlichen Korridor zwischen Trassee und Ebene schaffen. Der Hang würde zur ökologischen Fläche. Dasselbe gilt für den Bach, wenn man ihn ausdolt, auch dort entstehen neue ökologische Flächen. Nicht vergessen darf man die Dachvegetation auf den Flachdächern. Diese ist heute enorm wichtig. Alles in allem kann man trotz Verdichtung in Städten heute sehr wertvolle Flächen schaffen, etwa im Vergleich zur landwirtschaftlichen Monokultur auf dem Lande.

Kobe Macco

Der gebürtige Holländer hat eine Ausbildung zum Architekten absolviert und arbeitet seit 10 Jahren als Landschaftsarchitekt. 2017 hat er zusammen mit Lisa Troiano LINEA landscape architecture gegründet.

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«Beim Felsenrain öffnet sich der Raum erstmals»

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