«Pionierarbeit leisten»

Britta von Wurstemberger wird das Auftaktforum am 25. September moderieren. Was diese Aufgabe bedeutet, und welche Ergebnisse wir erwarten dürfen, erzählt sie im Gespräch.

 

Frau von Wurstemberger, wenn viele ganz unterschiedliche Menschen zusammenkommen, treffen unzählige Meinungen aufeinander. Wie holt man da die Leute ab und vermeidet dabei ein Chaos?

Britta von Wurstemberger: Wir arbeiten seit mehr als 20 Jahren mit bewährten Grossgruppenmethoden. Grossgruppen bringen die Dinge auf den Punkt. Wir wollen am Ende nicht hunderte von Post-Its an der Wand, sondern konkrete Ergebnisse. Innerhalb von Grossgruppen arbeiten wir immer mit Kleingruppen. Wenn Sie den Raum betreten, sehen Sie bereits viele Stuhlkreise oder Tische. Dort tauscht man sich aus, vielleicht zu sechst, zu acht. Niemand muss vor einem ganzen Plenum sprechen. Im Laufe der Veranstaltung wechselt die Gruppenkonstellation mehrmals. Jedes Mal, wenn Sie in eine neue Gruppe kommen, nehmen Sie etwas von der vorherigen Gruppe mit und bringen das in der neuen wieder ein. Durch diese Wechsel werden Wissen, Ideen und Erfahrungen miteinander vernetzt. Am Ende fokussieren die Gruppen die Themen, die ihnen besonders wichtig erscheinen. Als Moderatorin oder Moderator hat man dann nur noch die Aufgabe zu bündeln und die Teilnehmenden einzuladen zu gewichten.

 

Beim Felsenrain geht es am Ende ja um ein Bauprojekt, einige der Teilnehemer*innen sind Experten für Bauen und Planen, andere sind in diesen Dingen absolute Laien. Wie findet man da eine gemeinsame Ebene?

Für mich ist der Grundsatz wichtig: Es gibt nicht die «Expertinnen» und die «Laien». Was Sie Laien oder Laiinnen nennen, das sind für mich die lokalen Expertinnen, also die Menschen, die an dem Ort, um den es geht leben, wohnen, arbeiten, sich aufhalten. Sie kennen diesen Ort am besten: es ist ihr Zuhause, ihr Arbeitsplatz, ihr Treffpunkt. Sie sind es ja, die einen Ort wie den Felsenrain am Ende weiterhin beleben werden. Was unser Projekt so spannend macht, ist der Aspekt des generationenverbindenden Wohnens, das möglichst gut ins Quartier eingebettet sein soll. Ältere Menschen und Familien in einer gemeinsamen Siedlung, da ist es enorm wichtig, dass das Zusammenleben gut funktioniert. In diesem Dialogprozess kommen deshalb nun bereits ganz am Anfang die Fachteams, also die Architektinnen, Planer, Soziologen mit Bewohnenden, Betrieb und Quartier zusammen. Und zwar alle gemeinsam in einem Raum, nicht in einzelnen Gesprächen. Sie können sich auf Augenhöhe miteinander austauschen. Das ist für die Fachleute eine tolle Chance, da sie insbesondere in diesem Projekt soziale Aspekte beim Planen und Bauen berücksichtigen sollen. Alle Beteiligten bilden so quasi eine Kooperative, die gemeinsam etwas entwickelt und erarbeitet.

 

Bei vielen Meinungen und Ansprüchen scheint es praktisch unmöglich, einen Konsens zu finden. Was kann denn das Ziel eines solchen Grossgruppenprozesses sein?

Ich denke es gibt nicht den einen grossen Konsens, ich spreche eher von Konsensen im Plural. Was wir suchen ist ein «common ground». Eine gemeinsame getragene Basis, mit der sich möglichst viele identifizieren können. Eine breite Vielfalt ist der Nährboden für gemeinsam entwickelte Konsense. In der gemeinsam gekochten Suppe findet sich selten ein Haar.

 

Also eine Art Fundament?

Ja. Ein solches trägt den gesamten Prozess. Wir können das Fundament an der ersten Veranstaltung erarbeiten und im weiteren Prozess der Testplanung stärken. Es geht ja nicht nur um die eine Veranstaltung am 25.9., sondern um einen Prozess, in dem die Partizipation von Bewohnenden, Betrieb und Quartier eine grosse Rolle spielen wird.

 

Sie haben schon Grossgruppenprozesse mit 3000 Leuten begleitet. Hier erwarten wir gegen 70. Eigentlich ein kleiner Fisch?

Die Grösse ist nicht wichtig, sondern wie zusammengearbeitet wird und was dabei am Ende herauskommt. Der Prozess ist wichtig und dass das Ergebnis der Partizipation eine Bereicherung für das Projekt bildet. Die Methoden, mit denen wir arbeiten, sind dieselben, ob mit 50 oder 3'000 Personen. Ich glaube, was das Projekt Felsenrain unglaublich spannend macht, ist der Aspekt des generationenverbindenden Wohnens. Da betreten SAW und SWkF ziemliches Neuland. Ich bin überzeugt, dass die Verantwortlichen mit «Felsenrain neu gewohnt» ein Leuchtturmprojekt vor sich haben. Sie können hier echte Pionierarbeit leisten. Das macht enorme Lust, darauf freue ich mich sehr.

 

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Über die Moderatorin

Britta von Wurstemberger ist Geschäftsleiterin und Partnerin von frischer wind, einer Beratung für partizipative Prozesse im Grossgruppenformat. Sie ist spezialisiert auf die Begleitung komplexer Entwicklungs- und Veränderungsprozesse in Wirtschaft, Verwaltung und im öffentlichen Bereich und begleitet u.a. das Projekt «Altersstrategie» der Stadt Zürich.

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Fünf Thesen zum künftigen Felsenrain