«Die Stimmung war partout kreativ»

Mit dem Erscheinen des Schlussberichts sind Testplanung und Dialogprozess beendet. Bis zur neuen Siedlung vergehen noch Jahre. Die beiden Chefinnen der beteiligten Stiftungen, Sonja Anders und Andrea Martin-Fischer ziehen eine Zwischenbilanz.

 

Testplanung und Dialogprozess sind nun nach über einem Jahr abgeschlossen. Was hat Sie beide dabei persönlich besonders verblüfft?

Andrea Martin-Fischer: Als SAW sind wir sehr gefordert, möglichst viele zusätzliche Alterswohnungen zu erstellen, weil der Bedarf danach so hoch ist. Wir sind aber auch der Überzeugung, dass reine Alterssiedlungen heute nicht mehr zeitgemäss sind. Der Trend geht eindeutig in Richtung generationenverbindendes Wohnen. Trotzdem streben wir natürlich eine möglichst grosse Anzahl Alterswohnungen an. Es wird also im Felsenrain wesentlich mehr Wohnungen für Senior*innen geben als für Familien. Zählt man aber nicht die Wohnungen, sondern die Menschen, ergibt sich ein anderes Bild: Es werden dereinst im Felsenrain gleich viele Kinder wie ältere Menschen leben. Denn eine Familienwohnung beherbergt mindestens drei Kinder, in einer Alterswohnung leben ein bis zwei Personen.

Sonja Anders: Zu Beginn erschien mir die Aufstellung zum Testplanungprozess mit Auftraggebergruppe, Objektsteuerung, Projektteam, Prozessbegleitung, Begleitteam, sowie Spurgruppe und die Verwebung mit den Workshops und dem Dialogprozess recht komplex. Grossartig war dann, wie stimmig alles zusammenkam und wie gut und koordiniert die Zusammenarbeit lief, besonders auch zwischen unseren beiden Stiftungen. Die Stimmung war partout kreativ, Irritationen habe ich nie erlebt.

Andrea Martin-Fischer: Das kann ich nur bestätigen. Wir betraten Neuland, aber seit dem gemeinsamen Strategieworkshop am Anfang war stets das Gefühl da, am selben Strick zu ziehen.

 

Hat also die neuartige Zusammenarbeit zwischen SAW und SWF Ihren Erwartungen entsprochen?

Sonja Anders: Sehr sogar. Einerseits haben Andrea und ich gut zueinander gefunden mit unseren Haltungen und Zielen. Andererseits funktioniert es auch gut zwischen unseren Mitarbeiter*innen. Das Felsenrain-Projekt hat diese Zusammenarbeit auf allen Ebenen gestärkt. Mir ist es das sehr wichtig, dass auch meine Mitarbeiter*innen voll und ganz hinter diesem Projekt stehen.

Andrea Martin Fischer: Auch ich würde mich nicht wohlfühlen, wenn wir als Chefinnen etwas gegen den Widerstand unserer Teams durchboxen müssten. Der Felsenrain hat uns bestärkt, weitere Projekte anzupacken und Synergien auszuloten.

 

Es liegen nun Ergebnisse, Erkenntnisse und Ideen vor, kurzum: Ein Stapel Papier. Wie geht es damit weiter?

Andrea Martin-Fischer: Darin liegt die grosse Herausforderung. Wir haben Pionierarbeit geleistet, indem wir die Testplanung und den Dialogprozess parallel zueinander laufen liessen. Auf diese Weise konnten immer wieder Rücksprachen und Abgleiche stattfinden. Wichtig für die Weiterarbeit ist, dass dieser Dialog nun nicht verstummt. Das viele Wissen, das wir erarbeitet haben, soll nun in den Wettbewerb einfliessen, der 2023 stattfinden wird. Das erarbeitet Zukunfstbild soll sich im Wettbewerbsprogramm spiegeln. Wir haben daher entschieden, das im Entstehen begriffenen Wettbewerbsprogramm durch Echoräume reflektieren zu lassen: Wir wollen mit Vertreter*innen aus dem Quartier aber auch mit Schlüsselpersonen aus unseren Betrieben sicherstellen, dass die Resultate der Testplanung und des Dialogverfahrens auch wirklich gut im Programm abgebildet sind.

Sonja Anders: Ziel der nächsten Phase ist, die bestgeeigneten Planerteams ausloben zu können. Wie Andrea sagt, sind wir dabei, die erreichten Erkenntnisse aus Testplanung und Dialogprozess in ein Wettbewerbsprogramm einzuarbeiten, sowie unsere Ziele und die entsprechenden Beurteilungskriterien festzulegen. Mit allen weiteren Projektphasen wird das Projekt konkreter und unser Gestaltungsspielraum kleiner. Wir werden darum für die bevorstehende Phase unsere Ressourcen auf Wettbewerb und Jurierung fokussieren.

 

Das Felsenrain-Grundstück gehört der SAW, die SWF ist als Partnerin an Bord. Wie werden Sie im weiteren Verlauf und bei der Entscheidungsfindung zusammenarbeiten?

Sonja Anders: Wir haben andere Grundstücke im Auge, bei denen es eine umgekehrte Zusammenarbeit geben soll. Die Zusammenarbeit wird also auch anderswo weitergehen. Welche Entscheidungen wir gemeinsam treffen werden und wie wir Kooperationen weiterführen, wissen wir noch nicht genau. Auch im Felsenrain werden wir noch Einiges im Detail aushandeln müssen. Wir sind jedoch überzeugt, dass wir überall Lösungen finden werden.

Andrea Martin-Fischer: Unser Ziel ist es, auch den Betrieb paritätisch zu organisieren. Dazu gehören beispielsweise Vermietung und Unterhalt, das werden wir gemeinsam angehen. Beim Dialogprozess kam als wichtiges Thema das soziale Zusammenleben heraus. Es ist uns sehr wichtig, diesen Schwerpunkt aufzunehmen und nicht nur das Bauprojekt sondern auch die soziale Planung gemeinsam zu gestalten. Entscheidend ist letztendlich, dass das generationenverbindendes Wohnen auch wirklich gelingt.

Sonja Anders: Als Wohnbaustiftung kennen wir natürlich die üblichen Bauphasen; Wettbewerb, Vorprojekt, Bauprojekt. Aber danach können wir uns nicht zurücklehnen. Nach allen Bauphasen und dem Einzug der Mieter*innen wird eine neue Art der Zusammenarbeit mit der Bewirtschaftung der Siedlung beginnen.

 

Worin sehen Sie die grössten Herausforderungen, die nach dem Bau auf diese Siedlung und auf ihre beiden Stiftungen zukommt?

Andrea Martin-Fischer: Beim Umgang mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Sprich, Rückzugsmöglichkeiten schaffen und Gemeinschaft fördern, vielleicht auch Verantwortung für gemeinschaftliches Zusammenleben an Mieter*innen übergeben. Rücksichtnahme und Toleranz werden wichtig sein. Wir müssen uns vorab aktiv und gründlich mit diesen Fragen auseinandersetzen.

Sonja Anders: Wir gehen davon aus, dass es Irritationen geben wird, diese sollen nicht zu Konflikten führen, sondern zu kreativen und integrierenden Prozessen. Wir möchten die Mieterschaft dabei unterstützen, herausfinden, wo deren Gemeinsamkeiten liegen, wo Alt und Jung sich ergänzen können. Dies möchten wir stärken.

Andrea Martin-Fischer: Neben den Alters- und Familienwohnungen wird es im Felsenrain auch Pflegewohngruppen geben, in denen alte Menschen leben, die nicht mehr selbständig haushalten können. Auch sie werden ein Teil dieses Gefüges sein, aber wiederum andere Bedürfnisse haben. Die Pflegewohngruppen sind wichtig, weil sie die Wohnbiografien der Menschen komplettieren.

 

Die Ergebnisse der Testplanung zeigen noch keine konkreten Bauten, sondern Möglichkeiten. Haben Sie für sich bereits ein halbwegs konkretes Bild vor Augen, wie der Felsenrain und das Leben dort in knapp zehn Jahren aussehen werden?

Andrea Martin-Fischer: Ich sehe vor mir eine Community, deren Angehörige sich gegenseitig Sorge tragen. Auf was es sicher nicht hinauslaufen soll: Drei Häuser. Eines mit Alterswohnungen, eines mit Familienwohnungen und eines mit stationärer Pflege. Wir haben sehr viel investiert und viel gelernt über generationenverbindendes Wohnen. Dies wird in den Bauten sicherlich Ausdruck finden.  

Sonja Anders: Ich habe keine architektonischen Bilder vor Augen, dafür soziale Bilder des Zusammenlebens. Ich bin gespannt, wie die Architekt*innen im Wettbewerb mit unseren Vorgaben umgehen werden. Ich habe keine Zweifel, dass die Planerteams diesen Vorgaben mit viel Kreativität begegnen werden.

 

Sonja Anders (links) und Andrea Martin-Fischer (rechts) arbeiten über bisherige Verwaltungsgräben hinweg. Anders ist Geschäftsführerin der Stiftung Familienwohnungen (SFW). Diese ist dem Finanzdepartement der Stadt Zürich zugeordnet. Martin-Fischer ist Direktorin der Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich (SAW), diese gehört administrativ zum Gesundheits- und Umweltdepartement.

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